Die Evaluation der Forschungsfragen ist insgesamt sehr positiv ausgefallen. Auch wenn die damaligen Untersuchungen teils subjektiv gefärbt waren oder heute nicht mehr verwendbar sind, so stehen doch viele der damaligen Tests qualitativ und quantitativ für die Beantwortung aktueller Forschungsfragen bereit. So gibt es etwa prognostisch 12742 Gesamtwerte der Intelligenztests von sieben Messzeitpunkten alleine bei den Nachkriegskindern. Hier spiegelt sich die Fülle der 50 Aktenmeter an Untersuchungsunterlagen, die offensichtlich erst mit heutigen Computern analysiert werden können.
Weiterhin wurden die Variablen der Untersuchung auf Eignung für die Beantwortung der zehn Forschungsfragen überprüft. Insgesamt lässt sich sagen, dass die Fülle der Materialien eine enorme Vielfalt an Untersuchungsmöglichkeiten birgt, die es kaum erlaubt, sich nur auf diese wenigen Fragen zu beschränken. Auch Perspektiven anderer Disziplinen als der Psychologie können mit diesen Daten Forschung betreiben, sei es Wissenschaftsgeschichte, Medizingeschichte oder Soziologie, wie in Kapitel 2.3 gezeigt wurde. Selbst für Informatiker ergeben sich bei der anstehenden Digitalisierung der Akten Herausforderungen. Im Einzelnen ließen die gefundenen Variablen folgende Bewertung für die einzelnen Forschungsfragen zu:
Die Frage nach der seelischen Gesundheit der Kinder muss vor allem aus subjektiv gefärbten Daten gewonnen werden, da es keine klinischen Testungen gab. Zumindest grobe Abweichungen dürften jedoch erfasst worden sein.
Viel besser sieht die Datenlage für die Beurteilung der körperlichen Gesundheit aus. Dort gibt es eine Vielzahl von medizinischen Untersuchungen, die von Kreislauftestungen bis zur Erfassung der Gesundheitsvorgeschichte in der Kindheit reichen. Selbst die Beurteilung der Ernährung dürfte mit einigen Variablen möglich sein.
Resilienzfaktoren, Plastizität und Hardiness müssen wohl aus einer Vielzahl von indirekten Variablen wie zum Beispiel Umweltdaten oder Explorationen gewonnen werden, was die Auswertung der damaligen Daten erschwert.
Zur Erforschung der Gen-Umwelt-Interaktionen gibt es einige Untersuchungen, die genetisch-bedingte Krankheiten oder Störungen erfasst haben. Auch die Umweltbedingungen sind sowohl quantitativ in Form des Umweltbogens als auch qualitativ in Form von Explorationen gut für diese Zwecke analysierbar.
Transgenerationelle Übertragungen lassen sich möglicherweise anhand der Explorationen und projektiven und bildhaften Verfahren aus den Feinuntersuchungen genauer belegen. Zumindest die Umweltdaten geben grobe Hinweise.
Eine Fülle von Daten und Untersuchungen gibt es vor allem für die schulische, aber auch für die berufliche Entwicklung, letzteres vor allem bei den Kriegskindern. Schulnoten und dortiges Verhalten, Intelligenztestungen und soziales Verhalten beim Sceno-Test, sind Variablen, die bei der Erforschung dieses Themas hilfreich sind. Besonders aufschlussreich sind die Berufstests und beruflichen Explorationen in den Feinuntersuchungen der Kriegskinder.
Ebenso ideal ist die Datenlage für die Einschätzung der Persönlichkeit. Auch wenn einzelne Tests und Untersuchungen sehr stark subjektiv gefärbt sein können, wie beispielsweise das psychologische Gesamturteil, so spiegelt doch die Vielfalt der Messmethoden die Persönlichkeitseigenschaften der ehemaligen Teilnehmer.
Die bei der Nachkriegskinder-Studie angewendeten Methoden der Intelligenzmessung reichen von Binet über Wechsler bis zum HAWIE. Für die meisten Probanden dürfte zumindest einer dieser Tests in Form von einzelnen Testteilen vorhanden sein, womit sich die Datenlage für dieses Forschungsthema als ergiebig erweist.
Bei der Einschätzung der Lebenszufriedenheit muss wieder auf subjektive Maße oder auf indirekte Bewertungen anderer Tests zurückgegriffen werden, doch Stimmungsberichte von Psychologen und Lehrer bilden einen guten Grundeindruck des Lebensgefühls in verschiedenen Rahmenbedingungen.
Für die Analyse von Lebensverläufen und Einzelfallanalysen bietet sich die gesamte Untersuchungsakte einer Person an. Besonders geeignet sind dazu die explorativen Interviews, bei denen auch Zukunftsvorstellungen und Erlebnisse aus der Vergangenheit abgefragt wurden.
Quelle: Foerster, S. (2013). Von den „Deutschen Nachkriegskindern“ zu einer Längsschnittstudie der Entwicklung über die Lebensspanne. Evaluation der Methodologie einer Stichprobenreaktivierung (Diplomarbeit). Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, Bonn, S. 75-77.